Hallo zusammen!
Nach längerer Zeit melde ich mich mal wieder mit einem
eigenen Thread. Am Wochenende war es nämlich bei meinem (Baujahr 08/2006) soweit,
dass plötzlich die ESP, ABS und schlussendlich auch die 4WD Warnleuchten
aktiviert wurden. Damit natürlich auch der Einsatz vom Allrad nicht mehr
möglich. Da ich bald wieder auf Tour fahre, äußerst ungünstig. Ich habe mich
also mal durchs Forum geschlagen, einige Ideen aufgeschnappt und habe mich den
Sonntag über unters Auto gelegt. Mit diesem Thread möchte ich allen eine kleine
Schritt-für-Schritt Anleitung an die Hand geben, wie man vorgehen könnte und
was zu tun ist, wenn die Leuchten mal angehen sollten. Das Werkstatthandbuch
hat hier auch etliche gute Vorgehensweisen zu bieten, wenn man sie denn alle
durchgehen möchte. Diese „Anleitung“ hat nicht den Anspruch komplett zu sein,
aber ich konnte mein Problem lokalisieren und beheben, ohne ein Testgerät
Zuhause zu haben. Zudem habe ich alles ohne Hebebühne gemacht, ist zwar
unkomfortabel, aber machbar.
Anfängliche Tipps:
Es müssen so einige Steckverbindungen geöffnet werden. Bei jedem fragt man sich immer wieder, wie diese denn zu lösen sind. Hilfreich ist immer erstmal eine Grundreinigung, wenn viel Staub oder Dreck schon außen dran ist. Dann natürlich WD40 Öl, um die Verbindungen gangbar zu machen. Die kleinen Stecker werden meist mit Haltenasen fixiert, die man mit einem kleinen flachen Schlitzdreher lösen kann. Die großen Stecker haben meist eine Art Umlegehebel, der den Stecker dann löst und gleichzeitig von der Buchse schiebt. Auch hier hilft WD40. Ein Multimeter für die Messung von Widerstandswerten und zur Durchgangsprüfung sollte vorhanden sein.
Dann fangen wir mal an.
Schritt 1: Fehler im System auslesen
Erstmal wäre es wichtig, welche Fehlercodes im System hinterlegt sind. Oftmals ist hier schon eine erste Diagnose und ein gezielteres Suchen möglich.
Leider besitze ich nur einen Bluetooth-Dongle für die OBD-Schnittstelle am Auto, keinen vollwertigen Tester. Habe kurz mal geschaut, ob ich dort Fehler auslesen oder sehen kann, es war aber nix zu sehen. Die vom ABS/ESP sind wohl nur mit den teuren Diagnosegeräten sichtbar. Ein ConsultII Gerät oder ähnliches war auf dem gestrigen Sonntag nicht greifbar, also ging es an die manuelle Suche, ohne zu wissen wo ich anfangen soll.
Hinweis vom Jochen (Jo6666):
"Mit der Android App "Car Diagnostic Pro" kommt man an die Werte der ABS Sensoren und kann sogar die Ventile im ABS Block manuell ansteuern."
Schritt 2: Den eigentlichen Fehler verstehen
Die ESP und ABS Warnleuchten gehen an, wenn in diesen Systemen etwas dauerhaft nicht stimmt. Also z.B. eine Komponente ausgefallen ist. Das wäre zum einen das zentrale ABS/ESP-Steuergerät (ich nenne es einfach mal so), welches sich auf der Fahrerseite im Motorraum unter einer Abdeckung befindet. Zum anderen natürlich die Drehzahlsensoren an den Rädern. Letztere befinden sich an der Vorderachse direkt am Radlager, an der Hinterachse rechts und links neben dem Differential an den Antriebswellen. Über einen Zahnkranz ermittelt der Sensor die Drehzahl jedes Rads und gibt die Signale an das Steuergerät weiter. Zudem wird das Steuergerät auch mit Daten zu den Pedalstellungen gefüttert. Über Kontakte an den Pedalen z.B. weiß das Steuergerät, ob gerade gebremst wird. Mit diesen Daten kann das Steuergerät das ABS und ESP steuern. Fällt eine Komponente aus, geht das System logischerweise in den Fehlerzustand, schaltet die Systeme aus und warnt mit den entsprechenden Leuchten im Cockpit.
Schritt 3: Fehler nur sporadisch oder dauerhaft?
Wie das so ist beim Ferkel, gehen ganz gern auch mal Warnleuchten sporadisch an. Und verschwinden genauso schnell wieder für Monate. Also wollte ich irgendwie prüfen, ob ich die im System gespeicherten Fehler löschen kann, wenn ich sie schon nicht einsehen kann. Falls ja, müsste der Fehler ja direkt wieder auftreten bei einem dauerhaften Defekt. Über die App und den Dongle hat das schon mal nicht geklappt, die Leuchten blieben an. Auch das zehnminütige trennen der Batterie half nicht, Leuchten blieben an. Und die im Werkstatthandbuch erwähnte Prozedur zur ECM-Fehlerspeicher Löschung brachte leider auch nichts, ist auch nicht wirklich der richtige Bereich. Testen wollte ich es aber trotzdem. Hier mal kurz die Prozedur beschrieben, falls sie jemand benötigt:
Aus dem WHB:
- Sicherstellen, dass Gaspedal vollständig losgelassen ist. Zündschalter in Stellung ON drehen und 3 Sekunden warten.
- Folgendes Verfahren innerhalb von 5 Sekunden fünfmal
schnell hintereinander durchführen.
- Gaspedal vollständig betätigen.
- Gaspedal vollständig loslassen.
- 7 Sekunden warten, Gaspedal vollständig betätigen und ca. 10 Sekunden halten, bis das Blinken des MI (Motorkontrollleuchte) aufhört.
- Gaspedal vollständig loslassen. ECM ist zu Diagnoseart II (Selbstdiagnoseergebnisse) gewechselt.
- Gaspedal mindestens 10 Sekunden vollständig betätigen. Emissionsbezogene Diagnosedaten wurden aus Backup-Speicher des ECM gelöscht.
- Gaspedal vollständig loslassen. Sicherstellen, dass DTC 0000 angezeigt wird.
Da also alle Versuche den Fehler zu löschen fehlschlugen, entweder weil die Methode eh falsch war oder der Fehler sofort wieder auftrat, konnte ich von einem dauerhaften Problem im System ausgehen.
Schritt 4: Triviale Fehler suchen
Zum einen wird im Forum erwähnt, dass der Fehler mit den Bremsleuchten oder dem Bestätigungsschalter am Pedal zusammenhängen kann. Da ich vor ca. einer Woche ein defektes Bremslicht hatte, gar nicht mal so unwahrscheinlich. Also nochmal geprüft und es funktionierte alles einwandfrei.
Dann mal wirklich alle Sicherungen geprüft, also neben dem
Handschuhfach hinter der Klappe und im Motorraum auf der Beifahrerseite bei den
Relais. Alle Sicherungen waren in Ordnung, konnte also auch keine Fehlerquelle
sein. Oftmals sucht man hier ja erst, wenn man alles andere durchgeprüft hat,
und findet dann dummerweise einfach eine defekte Sicherung. Also vorher prüfen!
Dann mal die Kabel zu den Radsensoren geprüft, ob ich einen sichtbaren Schaden feststellen konnte. Dem war leider auch nicht so, keine Risse, Beschädigungen oder sonst was. Hier gab es auch einige Fotos im Forum, wo Schadstellen fotografiert wurden. Bei mir nix zu finden.
Sichtprüfung der Radsensoren hat auch nichts ergeben. Gerade die an der Hinterachse sind relativ freiliegend und im Forum ist häufig die Rede davon, dass diese beschädigt sind, der Abstand zum Zahnkranz nicht stimmt (muss zwischen 0,3 bis 0,9 mm liegen) oder der Zahnkranz selber beschädigt ist. Also unbedingt mal checken. Die an den Vorderachsen sieht man kaum, eine Sichtprüfung bringt also nicht viel.
Schritt 5: Radsensoren messen
Nun, da alle „einfachen“ Probleme geprüft waren, habe ich mich mal an die Radsensoren begeben. Im Forum wurden Widerstandswerte für eine Messung mit dem Multimeter genannt. Bei mir lagen die funktionierenden an der Vorderachse bei 0,47 Megaohm, die an der Hinterachse bei 22 Megaohm. Es wird auch erwähnt, dass man damit nicht zwingend feststellen kann, ob diese auch noch funktionieren, aber zumindest erhält man einen Anhaltswert für beide Seiten, der nicht großartig voneinander abweichen sollte. Und wenn der Widerstand gegen unendlich geht, also quasi nichts gemessen wird, dann ist da etwas auch nicht korrekt, evtl. schon hier ein Kabelbruch oder ein Defekt oder ähnlich.
Da die Sensoren anscheinend in Ordnung waren, habe ich sie nochmal kurz mit denen meiner ausgebauten Radlager von vorn verglichen, die lagen noch bei mir rum. Auch hier die gleichen Ohmwerte. Ich hielt fest, Sensoren ok, aber kommt das Signal auch durch bis zum Steuergerät?
Zum Messen selbst noch der Tipp, auf keinen Fall die Messspitzen
mit den bloßen Fingern an den Kontakten festhalten! Dann misst man nämlich
seinen Körper und nicht den Sensor. Für alle die das nicht so oft machen.
Schritt 6: Kabel zu Radsensoren messen
Um festzustellen, ob die Signale auch beim Steuergerät ankommen, musste ich als nächstes die Kabel prüfen. Die Sichtprüfung hatte ja schon nichts ergeben, aber messen sollte man auf jeden Fall. Vom Steuergerät kann man den großen Stecker lösen und sich so platzieren, dass man gut messen kann. Im Forum sowie im WHB (BRC-81) steht die Pinbelegung des Steckers. In der Buchse des Steuergeräts sind die entsprechenden Pinbezeichnungen auch eingestanzt, dann weiß man wo man suchen muss.
Hier mal die Belegung:
Rad VR: Pin 33 und 34
Rad VL: Pin 45 und 46
Rad HR: Pin 42 und 43
Rad HL: Pin 36 und 37
Mit angesteckten Sensoren musste ich also hier die Widerstände messen können, die ich Anfangs von den Sensoren gemessen habe. Und siehe da, vom Radsensor hinten links bekam ich keinen Wert. Hier musste also auf dem Weg zum Sensor ein Fehler vorliegen.
Schritt 7: Defekte im Sensorkabel finden
Vom Steuergerät im Motorraum wandert der Kabelbaum für die
hinteren Sensoren zur Beifahrerseite nach unten. Am Schweller direkt hinter dem
rechten Vorderrad befindet sich ein wasserdichter Stecker, der von einem
Kunststoffschutz vor Dreck geschützt ist. Diesen demontiert man und man kann
dann die Steckverbindung lösen.
Nun konnte ich dort ansetzen, um die Kabelteilstrecken zu
messen. Zunächst zum Steuergerät. In der Steckerbuchse sieht man bei mir 6
Pins. Die ersten beiden gehören zum Sensor hinten rechts. Pin 3 und 4 zum
Sensor hinten links. Ich habe also am Steuergerätstecker mit Draht eine
Verbindung zwischen Pin 36 und 37 gelegt, um an der Schwellerbuchse an Pin 3
und 4 den Durchgang zu prüfen. Hier war alles in Ordnung. Auch für den HR-Rad-Sensor
habe ich das kurz genauso geprüft (Pin 42u43 zu Pin 1u2), auch hier alles in
Ordnung.
Es konnte also nun nur noch das Kabel nach hinten zu den
Sensoren sein. Dieses verläuft am Leiterrahmen unter der Beifahrerseite bis zum
Radhaus hinten rechts. Dort verläuft das Kabel über/durch eine Quertraverse des
Leiterrahmens über den Auspuff und Tank zur linken Fahrzeugseite und kommt am
linken Radhaus wieder zum Vorschein. Auf dem Leiterrahmen hinter dem linken hinteren Reifen
läuft das Kabel dann nach hinten, durch eine Art Kabelkanal. Dann einmal um den
Leiterrahmen von außen rum nach unten, um dann nach innen Richtung Radsensoren
zu laufen. Also wieder gleiches Prozedere, Sensoren abgestöpselt, Pins mit
Draht verbunden und vorn am Stecker unterm Beifahrer den Durchgang geprüft.
Hinten rechts kein Problem und Durchgang, hinten links kein Signal, also Kabel
gebrochen bzw. unterbrochen. Dumm nur, dass eine nochmalige Sichtkontrolle
keine Schadstelle ausfindig machen konnte. Aber immerhin hatte ich wohl den
Übeltäter gefunden.
Meine Entscheidung für ein neues Kabel hat nicht lang
gebraucht. Ich habe mich für ein vieradriges flexibles Kupferkabel entschieden,
falls dann nochmal der zweite Sensor ausfallen sollte. Am Schwellerstecker
unterm Beifahrer angefangen, altes Kabel getrennt und neues mit dem Stecker
verlötet. Alles in Schrumpfschlauch und nochmals mit EDV-Isolierband umwickelt.
Dann in den Plastikschutz ein Stück eingefädelt und das neue Kabel am
originalen entlang nach hinten geführt. Gesichert immer mit Kabelbindern.
Nun folgte die schwierige Stelle, der Seitenwechsel über die Quertraverse des Leiterrahmens. Mit einem stabilen und starren Führdraht konnte ich vom Radhaus rechts bis zum Radhaus links gelangen, durch die Traverse am Originalkabel entlang. Mit dem Draht konnte ich dann relativ einfach das neue Kabel einziehen. Den Rest bis zu den Sensoren dann ähnlich, direkt am Original verlegt und mit Kabelbindern gesichert. An der Buchse hinten das gleiche Spiel, neu angelötet und alles abgedichtet und fixiert. Nun nochmals den kompletten Kabelweg gemessen bis zum Steuergerät im Motorraum. Durchgang vorhanden! Dann inkl. der Sensoren gemessen, beide zeigten die 22 MOhm an! Also hat es geklappt! Alle Sensoren lassen sich direkt am Steuergerät messen.
Schritt 8: Probefahrt!
Nachdem alles wieder verkabelt und verstaut war stand die Probefahrt an. Erstmal Zündung einschalten, Fehlerleuchten natürlich noch an. Okay, viele Fehler löschen sich erst nach ein paar Metern, also angestellt und losgefahren. ABS-Leuchte ging nach ca. 30m aus, die ESP-Leuchte dann nach 100m. Allrad ließ sich wieder schalten, alles funktionierte wieder einwandfrei! Juhu! Problem zwar mit Zeitaufwand aber trotzdem günstig behoben.
Fazit:
Das muss hier nicht auf alle passen, aber zumindest hoffe
ich einen Anhalt sowie eine Art Vorgehensweise beschrieben zu haben. Ich habe
mich nämlich durchs Forum gewühlt, um an den verschiedensten Stellen Ideen und
Tipps abzugreifen. Das wollte ich hier mal sammeln, damit in Zukunft nicht lang
gesucht werden muss. Natürlich können auch andere Teile ausfallen, bei mir war
es Gott sei Dank nur das Kabel. Und da das Messen mit dem Multimeter direkt am
ABS-Steuergerät sehr einfach möglich ist, kann hier z.B. vor einem
Werkstattbesuch schnell gecheckt werden, was nicht stimmen könnte. Nicht jeder
mag sich ja unters Auto legen und Kabel verlegen und verlöten. Und
Werkstätten verkaufen ja lieber erstmal Steuergeräte und Sensoren, anstatt die
Kabelwege zu prüfen (behaupte ich jetzt einfach mal, es gibt sicher auch Ausnahmen
).
So denn,
Grüße
Christian